Thema: Wie kann ich einem Alexi vertrauen?

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Wie kann ich einem Alexi vertrauen?
26.01.2020 von User93704L37

Vor ein paar Monaten war also dieser Tag, an dem sich so vieles geändert hat. Ich (32) habe von Alexithymie erfahren und konnte endlich einschätzen, was da vorgeht im Kopf und Herzen meines Freundes (ebenfalls 32). Auch, dass er wohl nicht der erste Mann in meinem Leben mit dieser Persönlichkeit war und die entlastende Erkenntnis, dass es nicht an mir liegt, dass er manchmal so gefühlskalt ist. Obwohl er äusserlich immer wieder sagt, dass es ihn eigentlich nicht stört, dass er so ist, habe ich gemerkt, als ich ihm von meiner Entdeckung erzählt habe, wie nah es ihm geht und auch wir entlastend es für ihn war, endlich einen Namen dafür zu haben. Zu wissen, dass man nicht alleine damit ist.

Unsere Beziehung stärkt sich fast wöchentlich, trotz Rückschlägen und Ungeduld häufig meinerseits, obwohl ich ja weiss, dass man einen Alexi eben nicht fragen soll, was er für einem empfindet. Ich kann immer häufiger die kleinen Dinge sehen, die er mir gibt, um mir zu zeigen, wie sehr er mich mag. Dennoch habe ich in letzter Zeit unglaublich Angst, dass wir uns verlieren, obwohl er sich eigentlich eher gegenteilig verhält: Wir planen Ferien im November und er macht immer wieder Andeutungen auf eine gemeinsame Zukunft (natürlich nichts von Heiraten oder zusammenziehen, denn so weit sind wir noch nicht - das ist mir klar und da dränge ich ihn auch nicht). Ich versuche ihn zu bestärken, wenn er, wie im Moment, besonders lieb zu mir ist (mir tatsächlich mal den Arm um die Schultern legt, schreibt, dass er mich verstehen kann (wow, Empathie) oder eben mir zu liebe Ferien mit mir plant). Seine Antwort ist dann immer, dass er das macht, weil er weiss, dass ich das schätze. Er selber bräuchte das alles nicht. Das ist ja auf der einen Seite toll und wunderschön, auf der anderen Seite ist es auch ernüchtern und macht mir Sorgen...

Das Hauptproblem zur Zeit ist aber, dass ich weiss, dass er sich von seinen beiden Exfreundinnen je genau nach einem Jahr getrennt hat - also genau an dem Punkt, an dem wir gerade sind... und das macht mir Angst. Wenn ich ihn darauf anspreche, dann weicht er mir aus und kann sich nicht wirklich dazu äussern - klar. Ich habe dann mit der Freundin seines Bruder darüber gesprochen und sie hat mir gesagt, dass diese meinen Freund wohl zu sehr gedrängt hätte - so zu sein, wie er nicht ist.

Mir ist klar, dass wir auch nach einem Jahr Beziehung nicht an dem Punkt sind, wie viele andere Paare. Und das macht mir mal mehr mal weniger aus. Ich versuche ihn so zu lieben, wie er ist, aber auch das gelingt mir mal mehr mal weniger gut. Und es tut einfach immer noch so weh, wenn er sagt, dass er einfach nicht diese Gefühle für mich haben kann (das hätte er schon als Kind gegenüber seiner Mutter nicht haben können, obwohl sie eine wunderbare Familie sind...). Wenn ich ihn frage, warum er denn überhaupt mit mir zusammen ist, wenn es nicht diese Gefühle sind, dann sagt er, dass er gerne Zeit mit mir verbringt.

Aber woran kann ich denn erkennen, dass er es wirklich will? Dass ich nicht einfach austauschbar bin und er mich vielleicht doch morgen verlässt, wenn wir das nächste Mal eine Diskussion haben? Ich möchte ihm doch einfach vertrauen können, aber das ist manchmal unglaublich schwer, wenn dich dein Partner nicht einfach in den Arm nehmen kann oder dir sagen kann, wie viel du ihm bedeutest...

Liebe Angehörige, wie habt ihr das geschafft, euren Partnern zu vertrauen und nicht permanent Angst vor einer Trennung zu haben? Liebe Alexis, wie merke ich, dass ihr die Sachen, die ihr macht, ernst (im Sinne von kleinen "Liebesbeweisen") meint und nicht einfach macht, nur, damit eure Partner "ruhe geben"?

26.01.2020 von User76135N35

Hallo User93704L37

also ich kann dir nur aus der Sicht eines A. schreiben. Aber so wie es jetzt ist, kann es gut sein, dass du ihn nur von dir wegtreibst. Je mehr man Leute zu halten versucht, desto schneller hauen sie ab.

Wenn er nicht der erste Mann mit so einer Persönlichkeit ist, den du dir geangelt hast, kannst du dir ja überlegen, wieso du überhaupt auf diese Art Typ abfährst, obwohl dich dann doch so viel daran stört. Frauen sollen sich die Partner ja meistens nach ihrem Vater aussuchen, was da alles nicht gestimmt hat und man im nachhinein zu lösen versucht etc.

Vielleicht hast du selbst auch große Verlassensängste, die bei ihm aber unbegründet sind? Du musst ja nicht wie die beiden Verflossenen sein, es kann diesmal anders sein.

Ich selbst sehe nicht so viel Sinn in diesen ganzen Emotionsdingen. Ok, ich wurde ohne Liebe erzogen, vielleicht denke ich auch deswegen, dass man auch ohne klar kommt. Jemanden so anzunehmen wie er ist, auch wenn er den eigenen Vorstellungen und Erwartungen im Leben nicht entspricht, gehört mit zu den schwersten Dingen im Leben, die man überhaupt haben kann. Da stehst du nicht alleine da.

Ich bin meistens im Nichts. Wie tot im Bezug auf andere Menschen. Aber wenn ich z.B. mit irgendwem über was rede, was er/sie mag und wenn das nur beiläufig ist, merk ich mir das und schenk es ihm/ihr irgendwann mal. Oder gebe Tipps wie hier. Ich bin so, wie andere mich haben wollen. Lache, obwohl mir nicht danach ist, drücke mein Beileid aus, obwohl es mir komplett egal ist. Aber bei mir selbst reagiere ich ganz genauso. Da müssen schon krassere Sachen passieren, damit eine Spur von Gefühl entsteht.

Aber irgendwie kriegt man dann doch die Kurve, sonst hätte ich keine Freunde, keinen Kontakt zur Familie usw. Das ist aber regelmäßig der Fall.

Lass deinen Partner so sein, wie er ist und wenn es doch auseinander geht, dann hack ihn ab, er ist nicht der einzige Typ auf Erden. Andere Mütter haben auch schöne Söhne, irgendwer kommt immer danach.



26.01.2020 von User93704L37

Danke für deine ausführliche Antwort. Na ja, obs dann irgendwann auseinander geht - das kann ja immer passieren. Und ich versuche ihn tatsächlich so zu sein, wie er ist. gelingt mir mal besser und mal schlechter aber sicherlich schon besser als am Anfang :)
Und eben, er geht mehr auf mich und meine Wünsche ein, als zu Beginn unserer Beziehung. Von beiden Schritte, die vordergründig zeigen, dass wir es beide wollen.

Aber vielleicht kannst du mir als Alexi ja etwas besser erklären, warum du überhaupt eine Beziehung eingehst (wenn sie dir ja nicht diese Schmetterlinge und Sehnsucht gibt, weshalb ich unter anderem eine Beziehung eingehe - das ist für mich so schwer nachzuempfinden) und vor allem, was dich in einer Beziehung mit einem emotionalen Menschen hält? (Gegensätze ziehen sich bekanntlich an und klar, habe ich mich auch schon gefragt, warum ich mich zu einem solchen Mann so sehr hingezogen fühle...). Ich denke mir halt in meiner Gefühlsdusseligkeit: wenn er kein Herzklopfen bei mir hat, mich nicht liebt (so wie sich emotionale Menschen Liebe vorstellen), warum beendet ers dann nicht bei der nächsten Diskussion? Und fragen kann ich ihn das auch nicht, weil er ja auch nicht darüber refelktieren kann... Aber vielleicht lannst ja du es mir ein bisschen näher bringen?

26.01.2020 von User76135N35

Was mich hält? So eigentlich nicht viel und nicht lange. Ein Tappetenwechsel ist immer wieder gut. Aber das Gefühl oder Wissen des Umschwärmt werdens hat was. Wirklich verliebt war ich noch nie, aber ich bin auch eher der nüchterne Mensch. Gefühle sind doch nichts anderes, als die Aussendung von Botenstoffen im Gehirn und für ein bisschen Spass braucht man das nicht unbedingt.

Aber Freundschaften halten dafür bei mir lange. Ich kann es nur nicht haben, wenn jemand gefühlsmäßig durchdreht. Rumschreit oder weint, das ist alles voll der Abtorner und lässt mich das Weite suchen.

Alexi's sind ja glaube ich nicht ganz gefühllos oder zumindest die Meisten. Irgendeinen Sinn wird er in eurer Beziehung schon sehen, sonst wäre er schon weg.

28.01.2020 von Emoji

Alles spiegelt sich im Leben! Wenn du schreibst, du weißt nicht, ob du ihm trauen kannst, dann heißt das übersetzt, "du weißt nicht, ob du dir trauen kannst!"
Und das beschreibst du auch sehr gut, nämlich dass es dir mal besser und mal schlechter gelingt, ihn zu nehmen wie er ist und nicht, wie du ihn dir wünschst. Letzten Endes hängt dein Wohlbefinden von deiner Beziehung zu dir ab und nicht von deiner Beziehung zu ihm.
Ich lebe seit 13 Jahren mit einem Alexi und bin schon oft durch die Hölle gegeangen.
Wenn ich erst einmal verstanden habe, dass mein Partner nicht für mein Glück verantwortlich ist, dann habe ich viel verstanden.
Ich bin sehr emotional und sehr verletzlich. Ich habe gelernt, Abstand zu halten. Damit geht es mir besser. Vieles, was ich mir in der Partnerschaft wünsche, lagere ich aus. Mein Mann ist nicht mein Partner, ich wohne mit ihm zusammen und ab und zu machen wir etwas gemeinsam. Er ist auch nicht mein Freund. Ich bin da, weil es für mich zur Zeit so genau richtig ist. Das kann morgen wieder anders sein.
Fakt ist, dass diese Menschen ab einem gewissen Ausmaß der Alexithymie sich nicht verändern werden, weil sie es nicht können. Denn für Veränderungsprozesse brauche ich den Zugang zu meinen Gefühlen.
Auf Dauer kann so jemand ganz schön langweilig werden. Fakt ist, du bleibst in solch einer Beziehung sehr allein. Manchen gefällt das und manche kennen es nicht anders.
Von Haus aus bin ich auch allein gelassen. Das ist mir vertraut. Ich sehne mich nach anderen Beziehungsformen, ich habe sie auch schon gehabt, bin dort aber gescheitert, weil ich mit meinem eigenen Gefühlschaos völlig überfordert war.

01.02.2020 von Xaba

Hallo Zusammen

Ich möchte kurz etwas zum Thema "er macht dies nur, weil er weiss, dass ich dies mag" sagen.
Schlussendlich ist hier die Frage, was man wirklich will und schätzt. Geht es um die Handlung oder um die Motivation der Handlung?

Wenn dein Freund mit dir Ferien plant oder seinen Arm um dich legt, was willst du eigentlich? Willst du mit ihm Ferien verbringen und seinen Arm spüren (= die Handlung) oder willst du, dass er das Bedürfnis danach hat (= die Motivation der Handlung)? Und was, wenn er das Bedürfnis hat, aber seinen Arm nicht um dich legt? Das ist ok? :)

Ich denke es ist ganz normal, egal ob Alexi oder nicht, dass, umso länger eine Beziehung dauert, desto mehr die Handlung im Vordergrund ist und nicht die Motivation der Handlung, weil die Verliebtheitsgefühle schwinden.
Ja, Alexis spielen oft Dinge vor. Aber sie machen es trotzdem, weil sie einem ja doch irgendwie mögen. Auch wenn es keine für sie spürbaren Gefühle sind die sie dazu bewegen, irgendwas ist trotzdem da :)

Nimm es als einen weiteren Blickwinkel und überleg dir, was dir wichtig ist.


Bezüglich Beweggründe für eine Beziehung: Ich finde den Grund "Verliebt sein" ziemlich bescheuert für eine Beziehung. Gefühle denken nicht an die Zukunft sondern nur an die Gegenwart. Ich mag es, zusammen etwas zu erreichen/erleben. Ein Nestlein bauen um sich zusammen zu verwirklichen. Eine Vertrauensperson zu haben, welche stets an deiner Seite ist. Auch Nähe, Berührungen und Sex ist mir wichtig. Für das brauch ich keine positiven Gefühle, keine negativen genügen. Und: Nicht jeder Alexi ist gleich.

24.02.2020 von Sun_Ny

Ich kenne das auch von meinem Anhängsel, da waren 1 bis 1 1/2 Jahre immer die Zeit, in der vorherige Beziehungen zu Bruch gingen. Mittlerweile weiß ich, dass is die Zeit nach der ersten Verliebtheit wo eine Beziehung wirklich Ernst wird und die Erwartungen steigen.

Das macht "Normalos" ja schon gern mal Angst, aber wenn man dieses plötzliche Unwohlsein nicht definieren kann, klar dass das in die Hose geht.

Was hilft? Bloß nicht Klammern! Kein Druck, keine Erwartungen, kein Voraussetzen.

Folgendes akzeptieren: Das wird niemals eine Standardbeziehung sein, und Fortschritt geht hier nur langsam weil nicht auf Aufforderung möglich. Es geht alles langsamer und nur Schritt für Schritt (wenn Jemand ein Bein im Gips hat erwartet man ja auch keinen Marathon).

Bleib ruhig, rational und gehe selbst für einige Zeit auf Distanz (z. B. Ich wollte eh schon ne Zeit Freundin XY die weiter weg wohnt besuchen, in einer Woche bin ich zurück und dann können wir nochmal gucken wo wir stehen oder zumindest eine vorübergehende Zwischenlösung finden).

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