Thema: Alexi, unterdrückte Gefühle oder soziale Defizite?

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Alexi, unterdrückte Gefühle oder soziale Defizite?
22.09.2013 von peter

Nach einer längeren Fernbeziehung lebe ich nun seit ein paar Monaten mit einer Frau zusammen. Grundsätzlich finde ich uns sehr kompatibel. In letzter Zeit geraden wir jedoch öfter in Streit, weil ich ihrer Meinung nach auf ihren emotionalen Zustand - weiß es grad keine bessere Bezeichnung - nicht wahrnehme bzw. richtig eingehe. Bei vielen dieser Streits hat sie mir erklärt, was sie von mir erwartet. Vereinfacht ausgedrückt möchte sie gerne, dass ich nach ihren Gefühlen frage und Interesse für sie zeige. Insbesondere kann sie nicht verstehen, wieso ich bei einem Streit kein Gesicht verziehe bzw. stocksteif dastehe - selbst bei Sätzen "dann geht die Beziehung eben kaputt". Inzwischen ist die Situation so ernst, dass die Beziehung auseinander zu brechen droht.

Aus lauter Verzweiflung hatte ich im Internet nach "Rezepten" gesucht, wie ich mehr Gefühl zeigen kann. Zufällig bin ich auf den Begriff Alexithymie gestoßen und habe mich in der Beschreibung durchaus wiedergefunden. Als ich nach mehr Informationen dazu suchte ich auf den Online-Test gestoßen und landete dort bei 134 Punkten (. Daraufhin habe ich unter anderem auch viele Beiträge in diesem Forum gelesen. Ich war überrascht zu lesen, dass für einige Gefühle gar nichts bedeuten und Umarmungen und Berührungen völlig tabu sein können.

Kurz: Ich bin mir nun nicht sicher, ob ich tatsächlich Alexithymie habe, Gefühle einfach nur unterdrücke oder soziale Defizite habe. Mit diesem Beitrag erhoffe ich mir, mehr Klarheit darüber zu erhalten.

Aus dem oben geschriebenen kann sicherlich niemand viel ableiten, weshalb ich noch ein wenig mehr über mich erzähle.

Ich bin der Meinung, dass ich durchaus Gefühle wie Freude oder Trauer unter bestimmten Umständen wahrnehmen kann. Bei manchen Filmen bin ich beispielsweise zu Tränen gerührt (wenn ich mir das recht überlege, nur wenn ich gerührt bin), weinte beim Tod meines Hundes oder freue mich über das Bewältigen von schwierigen Aufgaben (d.h. nur wenn ich alleine bin). Ich spüre auch Nervosität (Verkrampfungen im Bauch) bei einem wichtigen Vortrag o.ä. Inzwischen habe ich auch keine Probleme mehr mit Umarmungen. Vor knapp zehn Jahren hat mich meine frühere WG-Mitbewohnerin gelehrt, dass das nicht schlimm und akzeptabel ist :-) Daher kann ich heute viel relaxter damit umgehen.

Auf der anderen Seite gehen Dinge anscheinend spurlos an mir vorüber, es dringt nichts nach außen oder ich erscheine rational und gefühllos. Bestes Beispiel ist wohl, dass es mich "kalt" lässt, wenn meine Partnerin zu mir sagt, dass ich ausziehen soll oder sie mich nicht mehr sehe will. Es ist dann eben so - eine Trennung fände ich sehr schade und ich würde meine Partnerin sehr vermissen. Ich erinnere mich auch an den Moment, als mir meine Mutter von dem Tod meiner Oma erzählte: Damals drehte ich mein Gesicht weg und täuschte Weinen vor. Dann hatte mir neulich ein Freund erzählt, wie an einer Tankstelle seiner Frau das Auto samt Kind auf eine viel befahrene Straße gerollt ist. Wenn ich ehrlich bin, habe ich kein Entsetzen oder Schrecken gefühlt, sondern ganz bewusst so was wie "das find ich schrecklich" gesagt. Auch in anderen Situationen spüre ich ganz deutlich, wie ich meine Gefühlsworte entsprechend der Situation (egal ob Freude, Trauer, Ärger) sozial kompatibel wähle, ohne wirklich etwas dergleichen zu fühlen. Sex finde ich toll, aber gerate nicht in Ekstase - meine Partnerin hat sich anfangs beschwert, dass ich keinen Laut von mir gebe und mechanisch wirke. Inzwischen habe ich gelernt, zu bestimmten Zeiten passende Geräusche von mir zu geben. Wenn ich Geschenke bekomme, täusche ich Freude vor. Wirkliche Freude ist da nicht wirklich, sondern ich weiß den Aufwand wertzuschätzen.

Grundsätzlich verfolge ich den Ansatz, anhand der Stimmung meines Gesprächspartners bzw. der jeweiligen Situation (Mimik, Gestik und Satzmelodie) eine analoge Stimmung in mir "hervorzurufen". Ich kann sozusagen rational verstehen, warum sich jemand freut oder ärgert und dann mitmachen. Je nach Umstand (z.B. wie gut mich die Personen kennen) gelingt mir das mehr oder weniger gut.

Dieses Vorgehen funktioniert jedoch nicht, wenn ich mit meiner Partnerin streite - sie ist sehr smart, hat ein gutes Gedächtnis und kann mich sehr gut einschätzen. In den meisten Fällen kann ich überhaupt nicht verstehen, warum sie sich aufregt: "es ist gar kein Grund da". Anfangs hat sie mir erklärt, warum sie sich aufregt, sich verletzt oder ignoriert fühlt. Sie konnte mir auch anhand von Analogien erklären, was sie an meiner Reaktion nicht in Ordnung fand. Rational gesehen, konnte ich dann ihrer Argumentation folgen. Mit diesen Informationen konnte ich eine Zeit lang, entsprechendes Verhalten imitieren. Was mir jedoch nicht gelingt, sind passende Gestiken oder Mimiken zu imitieren: Ich wirke unbeteiligt, ungerührt, stur und desinteressiert. Bei jedem Streit gelangen wir immer zu dem Punkt, wo ich mich wiederhole oder lange schweige (weil ich nicht mehr weiß, was ich sagen soll). Früher ist es mir durch längeres Alleinsein und Nachdenken gelungen, den Streit zu analysieren und nachzuempfinden, was meine Partnerin wohl gefühlt hat. Wir hatten ein paar Male versucht, dass ich ihr sagte, wie sie sich gerade fühlt und sie mir dann Feedback dazu gibt. Ich fand das extrem schwierig und aus meiner Sicht habe ich basierend auf den von mir gesammelten Fakten nur zu erraten versucht, was wohl gerade in ihr vorgeht.

Ganz am Anfang unsere Beziehung hat meine Partnerin mich über meine Gefühle zu diesem und jenem befragt/ausgefragt. Ich erinnere mich, dass ich das als besonders schwierig und unangenehm empfand - eine typische Antwort war damals "das ist privat". In vielen Situationen, z.B. wie ich den damaligen übertriebenen Alkoholkonsum meiner Eltern fühlte, wusste ich keine richtige Antwort. Damals war ich auch der Meinung, dass für mich der Satz "ich liebe dich" ein Klischee aus Filmen ist. Ich habe ein Beziehung daraufhin so ähnlich definiert, wie in der im Forum zitieren Definition (http://www.partnerschaft-beziehung.de/Liebe.html). Inzwischen sage ich ihr öfter "ich liebe dich", was für mich so viel heißt, dass ich mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen kann. Besonders regte sie bei der Gelegenheit meine Aussage auf, dass ich nicht für romantisch veranlagt halte. Durch meine Taten hat sich später herausgestellt, dass ich das wohl doch bin.

Interessanterweise kamen mir beim Lesen von manchen Beiträgen in diesem Forum beinahe die Tränen. Dabei habe ich mich gefragt, ob das nun Trauer über das jeweilige "Schicksal" ist oder Erleichterung/Freude darüber ist, meine Situation bei anderen wiedergefunden zu haben.

In einigen Artikeln habe ich auch über typische Eigenschaften von Alexis gelesen, die auf mich zutreffen: loyal, ordentlich, akkurat, nach Prinzipien agierend, Schwierigkeiten mit Entscheidungen für sich selbst.

Ich hoffe, dass ich hinreichend viele Situationen geschildert habe, damit ihr mir Feedback geben könnt.


Auch wenn das jetzt wie ein Wunsch nach Paarberatung klingt, würde ich gerne lernen, meine Partnerin zu verstehen. Die besten Hinweise dazu habe ich auf den folgenden Seiten gefunden:

- http://salaazy.com/2012/results-oriented-alexithymia-treatment/
- https://groups.google.com/forum/#!topic/exchange-forum/schHyTYvXRE

Ich finde es jedoch schwierig, dass umzusetzen. Hat jemand schon diese Vorschläge umzusetzen probiert? Was sind eure Erfahrungen?

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25.09.2013 von Lady

''Interessanterweise kamen mir beim Lesen von manchen Beiträgen in diesem Forum beinahe die Tränen. Dabei habe ich mich gefragt, ob das nun Trauer über das jeweilige "Schicksal" ist oder Erleichterung/Freude darüber ist, meine Situation bei anderen wiedergefunden zu haben.

In einigen Artikeln habe ich auch über typische Eigenschaften von Alexis gelesen, die auf mich zutreffen: loyal, ordentlich, akkurat, nach Prinzipien agierend, Schwierigkeiten mit Entscheidungen für sich selbst. ''



Ja, so ging es mir auch. Es ist für mich irgendwie gut zu wissen das es doch Menschen gibt denen es genauso geht wie mir und die mich verstehen können.

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