Thema: Ich bin laut gutachterlicher Diagnose alexithym

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Ich bin laut gutachterlicher Diagnose alexithym
09.01.2012 von Elana

Ich bin laut gutachterlicher Diagnose alexithym
09.01.2012 von Elana

Elana
2011-12-25

Hallo zusammen!

Ich wurde aufgrund meiner chronischen Schmerzkrankheit und der damit verbundenen Rentenabklärung gutachterlich beurteilt von Medizinern. Im Gutachten steht, ich sei alexithym, was bei chronisch Kranken offenbar häufiger der Fall ist, wie ich nun dazu las.

Es ist tatsächlich so, dass ich gefühlsmäßig etwas anders verarbeite, vor allem hab ich total Mühe, wenn Menschen zu emotional werden bzw. mich in eine Emotionalität hineindrängen wollen, z. B. durch deren bestehende Depression usw. Ich möchte damit nicht belastet werden und finde überhaupt allzu gefühlsbeladene Menschen sehr anstrengend. Ich mag es am liebsten, wenn jemand vernünftig bleibt und sich nicht so gehen lässt. Gefühle empfinde ich an sich auch, aber auch meine eigenen Gefühle gehören schön geordnet und sublimiert, ich lasse mich nicht so gehen, kann kaum Wut empfinden, bin eigentlich immer ruhig, zu ruhig, bei mir läuft alles eher über den Verstand bzw. eine gewisse Warmherzigkeit, doch eben dieses Drama-Queen-Gehabe mag ich einfach nicht. Ich habe keinen Zugang dazu und empfinde bei Wahrnehmen solcher Regungen irgendwo wie ein Abprallen an mir, es erreicht mich nicht wirklich, was andere umso wütender macht.

Doch irgendwo scheinen diese Depressionen und Anfälle von anderen doch zu mir zu gelangen, ich fühle mich danach irgenwie komplett müde und erschöpft, es überfordert mich und ich würde dann am liebsten einfach nur schlafen und diesen Menschen aus meinem Leben drängen, vor allem wenn dieser mich regelmäßig mit seinen Problemen belastet und sich derart bei mir auskotzt, wozu ich offensichtlich einlade mit meiner scheinbar unerschütterlichen Art. Doch macht es mich in Wirklichkeit total krank.

Im Moment z. B. schreibt mir ein junger Mann, dessen Mutter ich sein könnte. Er sieht immer nur alles negativ. Ich versuchte, ihm gute Ratschläge zu geben, aber auch das nimmt er alles nicht an und jammert immer nur rum. Normalerweise würde ich einen solchen Kontakt gleich beenden, aber irgendwo fühle ich mich verantwortlich, weil er von Suizidgedanken sprach und davon, dass ihn bisher immer alle Kontakte nach einer Zeit im Stich gelassen haben. Genau das würde ich am liebsten jetzt auch tun, obwohl ich ihn an und für sich schon nett finde, aber es gibt schon genug Leute in meiner Familie, die mich mit ihren Sorgen Tag und Nacht belasten, mich tagtäglich anrufen und von mir gecoacht werden wollen, es ist mir einfach zu viel und macht mich krank. Ich mag diese ständige Jammerei einfach nicht mehr hören bzw. lesen. Es macht mich körperlich krank und verstärkt nur meine Schmerzen, weil es doch irgendwo an mich rankommt über den Körper.

Liebe Grüße
Elana

Re: Ich bin laut gutachterlicher Diagnose alexithym
09.01.2012 von Elana

Protsi
2011-12-25

Ciao!

Was hast Du jetzt vor?

Ich weiss nicht, ob Du hier selbst einen Ratschlag brauchst. Ich weiss auch nicht, in welchen Verhältnissen Ihr zueinander steht, wie Deine Verantwortung ihm gegenüber aussieht. Jeder hat aber ein gutes Recht für Selbstschutz.

Sachlich, wie Du es berichtetest, gern zu haben: erwähnte Suizidalität (Gedankenspiele, Pläne schmieden) eines anderen ist Grund genug um psychiatrische/psychologische Betreuung anzuraten. Eine akute Suizidalität (Versuche) sind rechtlich gesehen sogar ein Grund zur fürsorgerischen Freiheitsentziehung.

Vielleicht kannst Du Dich besser schützen und von dem ganzen befreien, indem Du dem jungen Mann profesionelle Hilfe vorschlägst oder sogar erzwingst (bei Suizidversuch). So oder so, ich glaube es zwingt Dich niemand zur ständigen persönlichen Auseinandersetzung mit etwas, dass Dir die ganze Zeit unangenehmen ist. Irgendwann bis Du ja so iritiert, dass Du weder ihm noch Dir selber helfen kannst...

LG,

P.

Re: Ich bin laut gutachterlicher Diagnose alexithym
09.01.2012 von Elana

Elana
2011-12-25
Hi Protsi

Der junge Mann ist bereits in psychiatrischer Behandlung, hat seinem Psychotherapeuten auch von latenten Suizidgedanken erzählt. Doch wurde er auch schon eingewiesen, als er sich offenbar extrem stark schnitt bei den Handgelenken. Nun ist es aber so, dass er gerade durch seine Erfahrenheit mit Psychiatern genau im Bilde ist über die Folgen von akuten Suizidankündigungen und erwähnt diese deshalb nur mir gegenüber. Dass ausgerechnet mich das immer trifft, schon vor wenigen Monaten trug meine Zahnärztin sich mit demselben Suizidgedanken und auch da wurde natürlich wieder mal ich sozusagen "auserkoren", die einzige Vertrauensperson zu sein, die in diese große Sache des inszenierten letzten Lebensaktes eingeweiht sein soll. Was genau strahle ich aus, was Menschen dazu bewegt, mich als Vertrauensperson in solche finale Plänen zu ziehen? Meine Schwester tat dies schon jahrelang, rief mich von der Brücke aus an, von der sie sich runterstürzen wollte, sodass ich sie über Handy da weglotsen musste. Ich könnte mich echt schon als professioneller Lebensretter zu Verfügung stellen, allein von den Erfahrungen her, die ich unfreiwillig erhielt in den vielen Jahren, darunter sogar ein Amokplaner. Einigen konnte ich direkt helfen, da ich als Beistand einige Erfahrungen habe, z. B. der Zahnärztin, mit meinem Zahnschmerzen musste ich allerdings dann doch zu einem anderen Zahnarzt, andere musste und konnte ich aufgrund genügend Daten und der akuten Suizidalität melden, wiederum andere kenne ich ja nicht, weiß nur gerade ihre E-Mail, dort versuche ich, positiven Einfluss zu nehmen, sie irgendwie Leuten zuzuführen, die ihnen helfen könnten. Das versuche ich nun bei diesem jungen Mann. Ich werde ihn also noch etwas begleiten, da er einen klaren Zeitpunkt seines Suizids festgelegt hat und ich die einzige Person bin, die davon weiß. Er wird es auch niemandem sonst erzählen, schrieb er. Ich kenne nur seine E-Mail und seinen Vornamen. Ich wünschte nur, ich könnte das alles besser aushalten, wär nicht derart alexithym, ich hab einfach kaum Kraft für sowas, es geht mir enorm gegen den Strich. Oder dann sollte ich derart gefühlsstumpf werden, dass mich das alles nicht mehr so kaputt macht, so ist es sehr aufreibend. Ich meide schon so unnötige Bindungen, weil mir dieses emotionale Drama-Queen-Gehabe derart auf den Senkel geht. Kinder sind für mich noch am normalsten. Ich bin einfach selbst schon zu kaputt (Schmerzkrankheit), um damit gut umgehen zu können. Aber ich kann einen so jungen, unschuldigen Menschen einfach nicht allein damit lassen. Er ist nicht viel älter als mein Sohn. Diese brutale Gesellschaft ist schon genug inhuman, ich kann nicht so egoistisch sein. Ich hab jetzt ein Fachbuch über Alexithymie gekauft, vielleicht hilft mir das weiter. Offenbar kann ich nicht adäquat empfinden und bin deshalb so konfliktunfähig.

Re: Ich bin laut gutachterlicher Diagnose alexithym
09.01.2012 von Elana

Anonym
2011-12-26

Hallo,

Menschen mit alexithymen Merkmalen können auf andere Menschen durchaus Ruhe, Gelassenheit und sogar Geborgenheit ausstrahlen. Sie können zuverlässig und vertrauensvoll wirken, Insofern könnten es durchaus alexithyme Eigenschaften dazu führen, dass sich labile Menschen aus deiner Umgebung mit ihren Problemen bevorzugt an dich wenden.

Man darf aber nicht in Versuchung kommen, alles auf Alexithymie zurück zu führen. Kein Mensch kann immer die Probleme anderer aufnehmen. Irgendwann ist einfach genug. Besonders, wenn man eigene Probleme mit sich herum schleppt. Dann reagiert man mit Ablehnung, fehlender Kraft usw. Das ist aus meiner Sicht ein ganz normaler Selbstschutz aller Menschen und hat mit Alexithymie gar nichts zu tun.

Gerade in Fällen wie deinem – wenn ich es richtig verstanden habe – muss man sehr vorsichtig sein, für welche Dinge man Alexithymie als Ursache anführt und wo alexithymes Verhalten eine Folge von anderen Dingen ist.

Ich würde in diesem Fall versuchen, über die Mailadresse, die reale Person ausfindig zu machen und dann entsprechende Stellen zu informieren. Wenn das nicht geht, gib ihm Anlaufstellen, an die er sich wenden kann. Dann kannst du dich ruhigen Gewissens zurück ziehen. Man muss sich nicht selbst kaputt machen, um anderen zu helfen.

Re: Ich bin laut gutachterlicher Diagnose alexithym
11.01.2012 von shouqici

[quote="Anonym":2hwhmwyr](wenn ich die Zitierweise hier richtig verstanden habe ;))

Menschen mit alexithymen Merkmalen können auf andere Menschen durchaus Ruhe, Gelassenheit und sogar Geborgenheit ausstrahlen. Sie können zuverlässig und vertrauensvoll wirken, Insofern könnten es durchaus alexithyme Eigenschaften dazu führen, dass sich labile Menschen aus deiner Umgebung mit ihren Problemen bevorzugt an dich wenden. [/quote:2hwhmwyr]
Das hört sich plausibel an und deckt sich auch mit meiner Erfahrung - ich werde oft als 'ruhender Pol', als 'Streitbeileger' wahrgenommen, und meine Frau (die bipolar ist) bezeichnet uns manchmal als "Dream-Team", weil wir einander so gut ergänzen - [i:2hwhmwyr]ihre [/i:2hwhmwyr]Emotionalität würde locker für drei reichen, und [i:2hwhmwyr]ich [/i:2hwhmwyr]"packe sie am Fuß und hole sie wieder 'runter, wenn sie an die Decke gegangen ist"... :D

() shouqici

P.S. Vorstellung schreibe ich noch, brauche aber ein wenig Zeit dazu...

Re: Ich bin laut gutachterlicher Diagnose alexithym
12.01.2012 von Elana

Halihallo

Ja, das mit dem ruhenden Pol kann ich von mir bestätigen, aber ich muss einen hohen Preis dafür bezahlen mit somatoformen Schmerzen und psychosomatischen Beschwerden. Ich hab jetzt einen Schnitt gemacht, nachdem mir klar wurde, dass der junge Mann eigentlich ganz gut versorgt ist durch seinen Therapeuten, immerhin 3-mal die Woche. Ich glaube, das ist schon ein sehr gutes Sicherheitsnetz, vor allem weil die beiden einen guten Draht zueinander haben und der Therapeut sehr fürsorglich ist. Es ist verrückt, mir dies noch zusätzlich aufzubürden, während meine Schwester mich schon tagtäglich mit ihren Depressionen im wahrsten Sinne des Wortes krankmacht. Das waren auch die letzten Worte meines Übergangstheras: Ich soll nicht immer an die anderen denken, sondern einfach auch mal an mich, bevor ich kaputtgehe. Außerdem merkte ich, dass der junge Mann ganz gerne in seinen Depressionen hängt. Ich denke, das ist sein Ventil, das er braucht. Ich kenne das von anderen, hab diese sogar zusammengeführt, wo sich gleichgesinnte Pessimisten sogar sehr gut miteinander verstehen und - oh Wunder - keineswegs abstürzen, auch wenn immer die Rede davon ist. Dafür sind die Therapeuten da. Ich denke, es war die richtige Entscheidung, nachdem ich mir ein genaueres Bild machen konnte. Für ihn ist gesorgt. Mich braucht es nicht. Ich wär reinster Luxus.

EDIT

Na ja, ich breche jetzt doch nicht ab, weil er offenbar durch mich und meine Alexithymie irgendwo geerdet wurde, aber trotzdem denke ich wie oben aufgeführt. Das entlastet mich. Das weiß er auch. Solange die Bilanz gegenseitig irgendwie aufgeht, spricht nichts dagegen.

Re: Ich bin laut gutachterlicher Diagnose alexithym
12.03.2012 von Elana

Ich aktualisiere die Situation:

1. Nach einer gutachterlichen Zweitmeinung bin ich nicht alexithym, sondern wirke nur so, weil ich meine Gefühle gut kontrolliere aufgrund meines anankastischen PersönlichkeitsSTILS (nicht -störung).

2. Ich habe den Kontakt zu dem jungen Mann aufgrund seiner wiederholten Suizidthematisierung abgebrochen. Er hat einen guten Therapeuten, der Bescheid weiß. Er hat mittlerweile auch eine gute Freundin und noch weitere Bezugspersonen.

Re: Ich bin laut gutachterlicher Diagnose alexithym
10.04.2012 von Elana

Ich wurde nun voll berentet. Nicht dass ich es erwartet hätte, meine Familie hat für mich gehofft und geseufzt und meine Ärzte haben damit gerechnet. So wenig wie ich hoffte und damit rechnete, kann ich mich darüber freuen. Nicht dass ich es schlecht finde. Ich bin froh darüber, aber Freude wäre zu viel gesagt. Ich bin eher erstaunt und weiß nicht, was ich fühlen soll. Wäre natürlich besser, wenn ich das alles gar nicht nötig hätte ...

Alexithymie als psychosomatisches Attribut
17.01.2013 von Elana

Liebe Foris

Bei mir hat sich einiges getan in der Therapie. Der Begriff "alexithym" bezog sich in meinem Gutachten auf meine Schmerzkrankheit mit psychosomatischem Hintergrund. Das ist auch logisch, weil dieser Begriff genau aus diesem Kontext heraus entstand, eine Gefühlsblindheit, d. h. die körperlichen Symptome, die eigentlich Gefühlen zugeordnet werden könnten (z. B. Angst) werden losgelöst von diesen auslösenden Gefühlen als körperliche Beschwerden erlebt. Diese Blindheit für Ursache und Wirkung ist die Alexithymie, wie sie ursprünglich gebraucht wurde. Deshalb stand das auch korrekt so in meinem Gutachten. In diesem Sinne habe ich sicher noch alexithyme Eigenschaften, was meine Schmerzkrankheit betrifft, aber weniger als am Anfang der Therapie. Diese Zuordnung gelingt mir nun besser, allerdings eher aus erworbenem Fachwissen heraus und durch Selbstbeobachtung, also nicht ganz spontan. Trotzdem sehe ich da einen Fortschritt. Ich bin nicht zu 100% gefühlsblind, sondern hab einfach eine alexithyme Sehschwäche, die ich auszugleichen versuche durch eine Korrekturbrille, sprich: eine vermehrte Achtsamkeit.

Nach einer gutachterlichen Zweitmeinung bin ich nicht als eigenständige Diagnose alexithym, sondern wirke nur so, weil ich meine Gefühle gut kontrolliere aufgrund meines anankastischen PersönlichkeitsSTILS (nicht -störung). Deshalb kann ich auch etwas daran ändern, weil diese alexithymen Eigenschaften Folge meines anankastischen Persönlichkeitsstils sind und nicht eine eigenständige Diagnose darstellt.

Weiter wurde in der Therapie aufgedeckt, weshalb ich eine anankastische Persönlichkeitsstruktur mit alexithymen psychosomatischen Eigenschaften entwickelte. Meine nur 1 Jahr jüngere Schwester ist Borderlinerin. Aus diesem Grund entwickelte ich mich komplementär zu ihr.

Liebe Grüße
Elana

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