Thema: Vorstellung

Deutsches Alexithymie Forum > Betroffene und Angehörige

Vorstellung
12.01.2012 von shouqici

Vorstellung
12.01.2012 von shouqici

Ja, ich bin auch so ein Typ - mit Gefühlen hab' ich's nicht so - das ist mir schon mit zehn Jahren aufgefallen, als meine Mutter nach Hause kam, Bonbons mitbrachte und mir sagte, dass mein Urgroßvater gestorben sei, den ich sehr mochte. Über die Bonbons freute ich mich, und da kam mir der Gedanke, dass ich doch [i:ftd29hs5]eigentlich[/i:ftd29hs5] jetzt traurig sein müsste - ich konnte aber so ein Gefühl nirgends entdecken. Einige Jahre später habe ich meiner ersten Freundin gegenüber mal geäußert, ich sei mir nicht ganz sicher ob ich [i:ftd29hs5]überhaupt [/i:ftd29hs5]Gefühle hätte - was bei dem jungen Mädchen damals natürlich nicht so gut 'rüberkam... :-) Irgendwie habe ich mich mit diesem Defizit à la longue irgendwie arrangiert und ein halbwegs normales Leben geführt, mich in Vereinen engagiert, war zweimal verheiratet, zu wirklichen persönlichen Freundschaften hab' ich's allerdings nie gebracht. Als mir vor einiger Zeit einmal meine inzwischen 30jährige Tochter sagte, bei mir wisse man nie, ob ich überhaupt Interesse für jemanden hätte, leuchtete mir das durchaus ein - nur ob und wie ich daran etwas ändern konnte, wusste ich nicht - und irgendwie schien es mir auch nicht so wichtig das zu tun.
Inzwischen bin ich zum drittenmal verheiratet, und auch meine jetzige Frau hat mir schon mehrfach Lieblosigkeit, Verständnis- und Gefühllosigkeit vorgeworfen - nun, da musste ich zugeben, dass bei mir wirklich Defizite vorhanden sind - wenn sie von Gefühlen spricht, oder - Gott behüte - gar danach fragt was [i:ftd29hs5]ich[/i:ftd29hs5] fühle, dann stehe ich ziemlich ratlos daneben - sie sagt dann ich sähe sie an, 'als ob sie ein Alien wäre'. Dann ist ihr eingefallen, dass sie in einer Selbsterfahrungsgruppe einmal mit einem ganz unangenehmen Menschen aneinandergeraten war, einem 'Gefühlsblinden', und ich mit dem wohl einige Ähnlichkeit hätte. Ganz sicher war sie sich nicht, auch wie ich darauf reagieren würde, aber sie suchte im Internet und wies mich dann auf einen Artikel über Alexithymie hin. Das war für mich einigermaßen verblüffend - was da stand, war mir ja zumeist aus eigener Erfahrung vertraut - ich hatte es schon manchmal scherzhaft 'Mr. Spock-Syndrom' genannt - aber dass das Kind einen Namen hat, dass man diese Störung nicht nur objektiv feststellen, sondern auch [i:ftd29hs5]behandeln[/i:ftd29hs5] kann, das kam mir doch überraschend... Ich machte dann den Test - ich kam auf 132 Punkte, in vier Kategorien zeigte ich starke, in dreien einige Anzeichen... [Jetzt habe ich ihn wiederholt, um sicher zu sein dass es auch derselbe Test ist, und komme auf 136 und fünf zu zwei] Das Ergebnis war für uns - na ja, am ehesten würde ich 'befreiend' sagen - endlich zu wissen, worauf ein großer Teil unserer Probleme beruht, und dass wir beide etwas dazu beitragen müssen damit umzugehen - vor Allem aber dass wir das auch [i:ftd29hs5]können[/i:ftd29hs5], war schon mal ein großer Schritt vorwärts.
Nach einigem Herumsuchen landete ich dann bei der Klinik für Medizinische Psychologie in Innsbruck, wo der 'Verdacht' verifiziert werden und mir ein Therapieplatz vermittelt werden konnte. Mit der Therapie bin ich jetzt gerade am Anfang...

() shouqici

Re: Vorstellung
12.01.2012 von Darok

Hallo shouqici,

schön, dass Du hier her gefunden hast. Herzlich willkommen und danke für Deine Vorstellung!

Darf ich fragen, was das bei Dir genau für eine Therapie ist? Welche Inhalte hat sie? Für mich ist es neu, dass es da überhaupt eine Behandlungsmöglichkeit gibt.

Gruß
Darok

Re: Vorstellung
12.01.2012 von shouqici

Hallo Darok,

nachdem Alexithymie ja keine [i:3132xag1]Krankheit[/i:3132xag1] ist, kann man sie nicht 'heilen' und auch nicht eigentlich behandeln - das war dem Doc von der Med. Psych. schon klar. Er meinte aber, die Sache wäre vermutlich auf irgendwelche Einflüsse in der frühen Kindheit zurückzuführen, und hier könnte am ehesten ein Tiefenpsychologe behilflich sein. Ob sich das bewahrheitet - nun, kann durchaus sein dass da etwas zum Vorschein kommt; ob und wie hilfreich eine solche Erkenntnis wäre, sei mal dahingestellt. Ich bin jedenfalls schon zufrieden, wenn sich als 'Nebenwirkung' ein wenig mehr Einblick in die Welt der emotionsbehafteten Fraktion ergibt - oder wenigstens eine Verbesserung im Umgang mit dieser... ;-)

() shouqici

Re: Vorstellung
12.01.2012 von Elana

Hallo shouqici

Wenn die Alexithymie sekundär entstanden ist, könnte sie schon heilbar sein oder "aufweichbar". Die primäre wohl nicht.

Bei mir ist es nicht so extrem wie bei Dir. Ich fühle schon sehr viel, nur äußerst diffus und unspezifisch, sodass ich es nicht richtig zuordnen kann. Ich empfinde es in den meisten Fällen als körperliches Symptom, z. B. bei Verliebtheit hab ich dann eben Bauchschmerzen oder weiche Knie, kann aber nicht sicher fühlen, dass ich jetzt wirklich verliebt bin im engsten Sinne, mögen schon, gern mit dem Mann zusammen sein auch, aber richtig verliebt? ein großes Wort ... ich denke dabei eher analytisch das Dafür und Dagegen.

Re: Vorstellung
12.01.2012 von shouqici

Hallo Delana,

was die Verliebtheit anlangt, sieht das bei mir ganz ähnlich aus - ich denke da braucht man gar nicht zu überlegen was 'extremer' ist.
Ich bin mir aber gar nicht sicher ob ich meine Alexithymie 'geheilt' haben möchte, [i:1z8rr54z]wenn[/i:1z8rr54z] das denn möglich wäre - wie mir eine Psychiaterin schon mal sagte, [i:1z8rr54z]kann[/i:1z8rr54z] die durchaus auch ein Vorteil sein... Gerade in der jetzigen konkreten Situation bin ich lieber Alexi als von meinen Emotionen gesteuert: gestern ist es mir endlich gelungen, meine Frau dazu zu bewegen sich in der Klinik untersuchen zu lassen - sie konnte schon seit einer Woche nichts mehr bei sich behalten. Dort wurde sie (eigentlich gegen ihren Willen, aber sie hatte mir ja versprochen 'brav' zu sein) gleich stationär aufgenommen - eine akute Hepatitis, die Leberwerte sind auf mehr als das 70fache erhöht und steigen weiter, und niemand hat eine Ahnung was der Grund sein könnte... Natürlich bin ich in Sorge, aber ich renne nicht im Kreis, kann mit ihr ebenso rational reden wie mit der Ärztin, und auch mal 'nein' sagen, wenn mir etwas nicht plausibel scheint.

() shouqici

Re: Vorstellung
13.01.2012 von Elana

Hallo shouqici

Ja, ich glaube, das ist schon auch ein Vorteil, in solchen Situationen kühlen Kopf zu bewahren. Du musst ja wirklich auch viel aushalten, so wie ich mit meiner depressiven Schwester, die mich tagtäglich anruft. Steter Tropfen höhlt den Stein, irgendwie ist meine Alexithymie löchrig, leider. Ihre Launen sind mir zu viel. Und doch funktioniere ich wie ein Rädchen, wobei nicht klar ist, ob das nun meine Alexithymie ist oder meine anankastische Persönlichkeit.

Warum gehst Du denn in Therapie, wenn Du die Alexithymie nicht loswerden willst? - Ich bin immer noch am Überlegen, ob mich eine Therapie nur weich macht und ich dann evtl.nicht mehr so tragfähig bin in der Familie, was ich aber sein muss. Deshalb lese ich jetzt ein Buch über das Für und Wider einer Therapie. Ich meine: Das Leben hat einem nicht von ungefähr diese Überlebenstrategien in die Persönlichkeit gelegt. Man kann sie nicht einfach ablegen, wenn die Umstände es nicht erlauben. So wie ein Soldat an der Front auch nicht unbedingt seine Waffen niederlegen darf, wenn noch immer gekämpft wird.

Einloggen