Deutsches Alexithymie Forum > Betroffene und Angehörige Frage an Alexithymie-Partner
08.01.2013 von kokosIch bin jemand, der nur wenig über die Logik, sondern mehr über Emotionen "funktioniert" und auch kommuniziert (wie meine gesamte Familie) und befinde mich seit über einem Jahr in einer Beziehung.
In letzter Zeit häufen sich die Situationen, in denen ich unglücklich bin, weil ich das Gefühl habe, dass wir auf zwei verschiedenen Ebenen leben und ich mich weder ihm begreiflich machen kann, noch ihn wirklich verstehen. Ich bin teilweise entsetzt über seine Rücksichtslosigkeit - und habe trotzdem oft das Gefühl, dass er es nicht mit Absicht macht. Ich habe auch immer mehr das Gefühl bekommen, dass ich ihn überfordere mit meinem Wunsch, mich zu verstehen.
Seit ein paar Tagen kenne ich jetzt den Begriff Alexithymie und kann viele Erfahrungsberichte gut nachvollziehen, die ich hier gefunden habe. Das verschafft bereits etwas Erleichterung. Ich habe auch ihn auf Alexithymie aufmerksam gemacht, und er kann sich voll damit identifzieren. Ich glaube, er ist auch froh, einen Namen dafür zu haben, und nicht allein damit zu sein.
Er hat unsere Unterschiede akzeptiert - "wir sind einfach verschieden", sagt er. Hier ist es vermutlich eher nützlich, weniger Emotionen zu haben. Generell geht er sehr offen damit um, dass er Gefühle nicht versteht. Er möchte gern etwas gegen die Alexithymie unternehmen, weil er das Gefühl hat, dass ihn dieses mangelnde Verständnis manchmal das Leben schwer macht. Inwiefern das überhaupt möglich ist, weiß ich nicht.
Mir stellen sich aber vermehrt die Fragen:
Kann jemand mit Alexithymie Liebe empfinden? Er sagt, dass er mich liebt, und er sagt es durchaus gefühlvoll. Vielleicht kann mir das hier jemand mit Alexithymie beantworten...
Und vor allem die Frage an Nicht-Alexithymiker:
Kann man tatsächlich lernen, dass der andere keine Gefühle empfindet? Wie kann ich mit so etwas umgehen?
Im Moment hole ich mir die fehlende emotionale "Nahrung" von meiner Familie und Freunden ein. Das ist aber ja keine Basis für eine Beziehung. Und ich habe gemerkt, dass es mich unheimlich angreifbar macht, wenn mir jemand Außenstehendes plötzlich Emotionen entgegenbringt...
Antwort auf vorherigen Beitrag
09.01.2013 von Anonym
Hallo,
Kann jemand mit Alexithymie Liebe empfinden? Er sagt, dass er mich liebt, und er sagt es durchaus gefühlvoll. Vielleicht kann mir das hier jemand mit Alexithymie beantworten...
Alexithymie schließt nicht kategorisch aus, dass ein betroffener Mensch Liebe, oder andere Gefühle, empfinden kann. Alexithyme, die aus Liebe Herzrasen, Schmetterlinge im Bauch etc. bekommen, sind aber vermutlich selten, wenn es sie überhaupt gibt. Mit Ausdrücken wie innere Zuneigung, Liebe empfinden etc. können Alexithyme normalerweise nicht viel anfangen.
Für Alexithyme ist Liebe eher definiert wie auf der Seite
"Liebe ist, wenn man den anderen so akzeptiert, wie er ist.
Liebe ist, wenn man dafür sorgt, dass es dem anderen gut geht.
Liebe ist, wenn man dem Partner zuliebe ab und zu auf eigene Wünsche verzichtet.
Liebe ist, wenn man in guten wie in schlechten Zeiten zusammenhält."
Quelle: http://www.partnerschaft-beziehung.de/Liebe.html
Grüße
Nachtrag - noch eine weitere Frage
10.01.2013 von kokos
Neben der Frage, wie man ohne die emotionale "Nahrung" auskommen kann (s.o.), beschäftigt mich auch noch: Wie habt ihr es geschafft, aufzuhören, trotzdem Gefühle in den anderen "hineinzuinterpretieren"? Bei mir geschieht das so oft unbewusst: Wenn er mir von einem Rückschlag in der Arbeit erzählt, denke ich: "Oh, jetzt ist er sicher traurig", und habe das Gefühl, ich möchte ihn trösten - obwohl er nicht traurig ist. Eigentlich ja unnütz. Wie kann man das abstellen?
Gefühle hineininterpretieren
10.01.2013 von Martin
Hallo
Liebe ist, wenn man den anderen so akzeptiert, wie er ist.
Liebe ist, wenn man dafür sorgt, dass es dem anderen gut geht.
Diese Beschreibung der Wahrnehmung von Liebe finde ich wunderbar. Man nimmt Liebe eher als die dazugehörigen (rationalen) Taten war und weniger als ein Gefühl.
Ich würde nicht versuchen hier etwas "abzustellen" sondern viel mehr in Richtung einer Klarstellung einfach fragen: "Bist du deswegen traurig?" - und du wirst eine klare Antwort erhalten.
Ich vermute es wird ihn auch kaum stören, dass du meinst er ist traurig - sondern nur das damit verbundene Verhalten "Trösten" wird ihn stören (bzw. verwirren).
Gruß
@ Kokosnuss Ob ein Alexi lieben kann...
12.01.2013 von Bilda
Hallo, ich habe Teile der Nacht im Halbschlaf verbracht und gedacht, gedacht...
Liebe? Kann ich Liebe empfinden? Zunächst der Versuch einer Erklärung : Ohne meine Frau in meiner Nähe fühle ich mich noch leerer und werde absolut planlos. Ich kaufe dann oft technische Dinge, wie Handys oder so etwas. Damit setze ich mich dann auseinander, oft wochenlang. Wenn es ganz hart wird, initiiere ich ein "Trennungsszenario", per Mail, also ohne direkte Auseinandersetzung. "So, jetzt habe ich mal gezeigt wo der Hammer hängt."
Weil wir so grundsätzlich verschieden sind, müsste ich in der Lage sein ihr absolut und blind zu vertrauen. Aber sie lehnt eine solche "Lebensführung" ab, weil es sie selber sehr einschränken würde.
Die Bindung funktioniert über unsere Kinder... noch. Mit meinen "Kopfgesteuerten" Reaktionen erscheine ich für sie, die Kinder, als kompetent, weil ich ja Bescheid weiß und prima erklären kann.
Liebe? Ich fürchte mich nicht vor einer Trennung.
Ich fürchte die Leere, dieses sinnlose und teure "irgendwas machen".
Auf der anderen Seite, sehr oft kam, im dunklen der Nacht, eine warme Hand und ich fühlte es, dieses "halt mich fest, ganz fest!"
Danke für den Erklärungsversuch
12.01.2013 von kokos
@ Bilda,
vielen Dank für deinen Erklärungsversuch. Ich habe in den letzten Tagen viel mit meinem Partner geredet, auch über Trennungsgedanken.
Ich denke, bei ihm ist es ähnlich wie bei dir. Er hat keine Angst vor der Trennung, aber er schätzt mich als Partnerin. Er sagt, dass er sehr glücklich ist, dass er mich hat - das ist ja eigentlich ein Gefühl.
Ich habe immer noch keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll.
Und was Kinder angeht: Er hat Angst, dass sie "so werden wir er", weil er ihnen nicht beibringen kann, wie es "richtig" geht. Wie sind deine Erfahrungen damit?
Er macht sich auch Gedanken darum, ob man sein "anders-sein" behandeln kann, denn er denkt, dass fühlende Menschen glücklicher sind. Er hat wenig, das ihn im Alltag motiviert.
Du schreibst, deine Frau lehnt eine solche "Lebensführung" (ihr absolut und blind vertrauen) ab, weil es sie selber sehr einschränken würde. Wie lebt ihr denn miteinander? Es hört sich etwas nach einem Nebeneinander, nicht Miteinander an...
@Kokos, Wie zusammen leben.
13.01.2013 von Bilda
Oh, das Zusammensein ist schon recht intensiv, dass aber halt sehr oft von Enttäuschungen und Unverständnis geprägt. Während ich versuche zu erklären, also Fakten zu sortieren und dabei durcheinander gerate, schaut sie mich fragend an und kann natürlich nicht folgen. Das Ergebnis nach so vielen Jahren : Wir sind beide ausgebrannt und gehen uns freundlich aus dem Weg. Eine Trennung steht unmittelbar bevor.
Das ist ja eher entmutigend...
14.01.2013 von kokos
... Das scheint das Resultat bei vielen zu sein, die es zusammen versucht haben. Das macht nicht gerade Mut...
Fachliche Abklärung wichtig!
17.01.2013 von Elana
Liebe Kokos
Dein Mann scheint ja sehr aufgeschlossen zu sein. Vielleicht könnte er sich auch für eine fachliche Abklärung und Diagnostik begeistern, denn es könnte noch mehr als einfach nur diese Eigenschaft "Alexithymie" dahinterstecken, nämlich eine auslösende Diagnose, die zu diesen alexithymen Eigenschaften führte. Eine Therapie könnte ihm helfen, seine Alexithymie und was dann sonst noch rauskommt abzubauen. Bei mir steckte ein anankastischer Persönlichkeitsstil dahinter. Aus Fachbücher weiß ich, dass sehr unteschiedliche Diagnosen mit Alexithymie als Folge einhergehen. Eine korrekte fachliche Abklärung lohnt sich!
Lieben Gruß
Elana
Re: zur Frage, ob man das Alexithyme eines Partners verkraften kann
11.02.2013 von enigmata
Ich habe seit über 2,5 Jahren eine (zwangsweise) platonische Affäre zu einer vermutlich alexithymen Kollegin. Sie sucht mich ständig auf, kann aber ihre Gefühle nicht vermitteln, insbesondere nicht auf Nachfrage. Sie will distanzierte Nähe. Ich wurde offensiv, sie darauf defensiv. Ich war oft sehr verzweifelt, da ich sie liebe. Wahrscheinlich bin ich hyperlexithym. Ich denke, wir beide können auf unsere Art nicht loslassen. Doch seit ich ihr Problem kenne (seit genau 2 Tagen/siehe mein Beitrag im Forum) kann ich mit einem Schlag akzeptieren, dass ich sie wahrscheinlich NIE zärtlich in meine Arme schließen werde oder mehr. Es ist wahrscheinlich ihr Schicksal. Doch loslassen kann ich dennoch nicht, den Kontakt werde ich auf keinen Fall abbrechen. Ob (in "unserem Sinn") und wie genau eine solche Person liebt, würde mich auch brennend interesseieren....
Ich lebe auch mit einem Gefühlsblinden zusammen
12.02.2013 von nessi
Ich will von ihm weg, aber ich weiß nicht wie. Ich habe oft mit ihm über Trennung gesprochen und wir wollten die auch gemeinsam durchziehen, aber er sagt mir dann wieder was nettes und ich bin wieder im alten Trott. Wieso lassen solche Menschen einen nicht gehen? Was wollen die mit einem Partner/in? Quälen? Ich habe seit ich mit ihm zusammen bin, nur diese Beziehung im Kopf. Ich weiß nicht mehr weiter.
Inzwischen getrennt
12.02.2013 von kokos
Hallo zusammen,
mein Partner und ich haben vor ca. vier Wochen einvernehmlich beschlossen, dass es besser ist, sich zu trennen. Wir haben beide festgestellt, dass wir bei ganz zentralen Dingen heimlich wünschen, dass der andere irgendwann "vernünftig" wird und zu unserer Sicht übergehen wird - das ist keine Basis für eine Beziehung.
Die Entscheidung zu treffen war unheimlich schwierig. Sich dazu durchzuringen. Jetzt, obwohl nur relativ wenig Zeit verstrichen ist, merke ich schon sehr deutlich, dass es die richtige Entscheidung war. Ich habe gemerkt, dass ich mich - bewusst oder unbewusst - sehr an seine reduzierten Emotionen angepasst habe. Auch er hat gemeint, dass er diese Veränderung bei mir beobachtet hat - aber nicht wusste, wie er darauf reagieren soll.
Jetzt ist es ein Gefühl, als ob ich "auftaue" und mich wieder selbst spüre.
Er hat mehr Schwierigkeiten damit, fürchte ich.
Aber wir haben es tatsächlich geschafft, von der Beziehung in eine Art Freundschaft überzugehen. (Zwangsweise, denn wir wohnen zusammen, und es gab keine Möglichkeit, sofort eine räumliche Trennung zu machen...) Jeder sucht sich seine Ablenkungen. Und ich muss ihm sehr zugute halten, dass er nicht versucht, mich - aus welchen Motiven auch immer - zu halten, wie es bei Nessi wohl ist. Er will, dass ich glücklich bin, und wir haben beide festgestellt, dass wir das miteinander nicht erreichen können.
Nessi, wenn du wirklich von ihm weg willst: Tu es. Und zwar vollständig. Erwarte nicht, dass du dich sofort besser fühlen wirst. Die ersten Wochen wird es dir mit Sicherheit nicht gut gehen. Und auch danach werden immer wieder Phasen kommen, bei denen du es vielleicht bereust. Das muss einem bewusst sein. Das bedeutet trotzdem nicht, dass die Entscheidung falsch war.
Aber wenn du denkst, dass es das Richtige für dich ist, dann zieh es durch und bleibe bei deiner Entscheidung. Und im Normalfall würde ich empfehlen, den Kontakt komplett abzubrechen - das ist einfacher. Unsere Lösung ist mit Sicherheit für beide Teile die, die mehr Arbeit und Disziplin erfordert...
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