25.05.2018 von amylej
Hallo zusammen,
ich schreibe, weil ich glaube, ein paar Aspekte meines Partners durch Alexithymie besser zu verstehen. Ich würde nicht sagen, dass alles, was ich bisher darüber gelesen habe, auf ihn zutrifft - aber eben doch einiges. Ich erkenne genug Parallelen, damit ich zu dem Schluss gekommen bin, hier vielleicht hilfreiche Ideen zu finden.
Vorweg: mein Leidensdruck ist nicht sonderlich hoch. Ich bin in einer glücklichen Beziehung und liebe meinen Partner sehr. Ich sehe eher die Gefahr, dass sich mein "Frust-Fass" füllen könnte und in 10 Jahren explodiert, wenn ich nicht schon jetzt darauf achte. Ich schreibe hier quasi eher zur Prävention.
Ich glaube, dass meine emotionale Sensibilität ihn häufig überfordert. Insbesondere wenn ich wütend bin, kann er damit nicht umgehen. Dann macht er einen großen Bogen um mich, bis ich meine Wut artikluieren und die ursächliche Verletzung / Traurigkeit ohne Vorwürfe erklären kann. Mir fällt auf, dass er damit dann besser umgehen kann. Die einzelnen Schritte der Gewaltfreien Kommunikation ("Wenn du A tust, dann löst das in mir Gedanke/Interpretation B aus. Daraufhin empfinde ich C. Ich würde mir D wünschen.") scheinen hilfreich zu sein, damit er etwas besser auf mich eingehen kann. Dies geschieht aber eben nur in "Extremsituationen", wenn ich wirklich eine Belastung empfinde und es mir wirklich nicht gut geht. In diesen Extremsituationen kann er mich dann auch trösten und in den Arm nehmen. In Extremsituationen wird er auch selbst wütend (unglaublich wütend, ohje) oder traurig oder besorgt. Darum glaube ich auch nicht, dass Alexithymie zu 100% zutrifft.
Bei den alltäglichen Kleinigkeiten scheitere ich. Das sind diese vielen kleinen Tropfen, die ein Fass erst nach und nach füllen, bis es irgendwann droht überzulaufen. Und um diese kleinen Tropfen geht es für mich.
Beispiele:
- Wenn ich etwas erzähle, fällt es ihm schwer, Nachfragen zu stellen oder darauf einzugehen. Er hört mir zu, nimmt es (glaube ich) wie einen Statusbericht auf und damit ist die Sache für ihn abgehakt.
- Bei diesen kleinen Erzählungen scheint er dann auch nicht wahrzunehmen, ob ich bei der Sache glücklich, traurig, wütend oder enttäuscht war. Eine entsprechende Reaktion kommt von ihm also nicht. --> Wenn ich etwas (meiner Meinung nach) echt cooles erlebt oder gemacht habe, dann freut er sich nicht mit mir. Es ist halt nur ein Statusbericht ;). Und mir fehlt die Resonanz..
- Er gibt sich Mühe, immer wieder Körperkontakt zu mir herzustellen. Wenn er an mir vorbei läuft, legt er mir häufig die Hand kurz auf die Schulter oder den Rücken. Das genieße ich immer sehr. Aber wenn ich ehrlich bin, ist mir das zu wenig. Es wirkt manchmal wie einstudiert. Kuscheln kann er im allgemeinen nichts abgewinnen und ich empfinde es als frustrierend, immer die Initiative ergreifen zu müssen, wenn ich Körperkontakt möchte.
- Ich hab immer wieder den Eindruck, dass es ihm schwer fällt zu benennen, was er sich als gemeinsame Aktivität wünschen würde. Er kann sich super alleine beschäftigen und ich glaube, er würde mich auch gar nicht unbedingt so sehr vermissen. Mir fehlt da eben die Zweisamkeit, etwas gemeinsam zu planen, gleichberechtigt (und nicht ich, die Vorschläge macht und er wägt dann rational ab, oder das jetzt klug ist oder nicht).
- Als ich z.B. operiert werden musste, konnte er - glaube ich - nicht wirklich verstehen, warum ich ihn nach der Narkose sehen wollte. Er argumentiert (vollkommen zurecht): "Du bist doch danach so benebelt und müde, dass du eher einschläfst. Warum willst du mich da sehen?" Er kam trotzdem und hat sich - glaube ich - gelangweilt. ;) Ich hab es ihm hoch angerechnet, aber es wäre natürlich schöner gewesen, wenn er selbstverständlich von sich aus gekommen wäre.
Ich weiß nicht, ob mein Partner von Alexithymie betroffen ist oder nicht. Der Stempel ist mir auch ziemlich wurscht. Ich habe für mich klar beschlossen, dass der "Gewinn" (ich liebe ihn wirklich, er hat so viele wundervolle Seiten, die ich hier nicht alle aufschreiben kann) größer ist als die "Bezahlung" durch die kleinen Tropfen. Und ich weiß, dass ich ihm wichtig bin. Das zeigt er mir eben eher auf einer pragmatischen, als auf einer emotionalen Ebene.
Ich reflektiere oft, wann es ihm scheinbar leichter fällt, die "kleinen Tropfen" nicht fallen zu lassen, und wann sie öfter kommen. Durch diese Reflexionen fühle ich mich eher handlungsfähig, weil ich dann weiß, was ich für meinen Teil tun kann. Aber was gibt es noch? Können mir Betroffene erklären, was ganz bescheuerte Fehler eines Partners sind, was es definitiv schlimmer macht, und was besser? Kann mir jemand Erklärungen im allgemeinen geben, damit ich für mich Dinge vielleicht besser verstehen kann?
Viele Grüße & mein Dank im voraus